Susanne G. E. Richwien

Rechtsanwältin


Gut Zu Wissen

Sozialauswahl

Die betriebsbedingte Kündigung

Nach § 1 Absatz 1 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) ist eine Kündigung rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist. Dieser unbestimmte Rechtsbegriff wird in § 1 Absatz 2 KSchG durch relative Rechtfertigungsgründe der Kündigung (personen-, verhaltens- und betriebsbedingte Gründe) und absolute Unwirksamkeitsgründe der Kündigung (Sozialwidrigkeit) näher umschrieben.

In einem Kündigungsschutzprozess trifft den Arbeitgeber die Darlegungs- und Beweislast für die Ursachen der bezweckten Kündigung nach § 1 Absatz 2 Satz 4 KSchG. Der Arbeitgeber muss seine Tatsachen so darlegen, dass sie vom Arbeitnehmer mit Gegentatsachen bestritten und vom Gericht nachgeprüft werden können (Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) seit dem 7.12.1978 - 2 AZR 155/77). In dieser Grundsatzentscheidung definiert das BAG das dringende betriebliche Erfordernis wie folgt:

„Diese betrieblichen Erfordernisse müssen ‘dringend’ sein und eine Kündigung im Interesse des Betriebes notwendig machen. Diese ... Voraussetzung ist erfüllt, wenn es dem Arbeitgeber nicht möglich ist, die betriebliche Lage durch andere Maßnahmen auf technischem, organisatorischem oder wirtschaftlichem Gebiet als durch eine Kündigung zu entsprechen. Die Kündigung muss wegen der betrieblichen Lage unvermeidbar sein.” - Bundesarbeitsgericht
Das bedeutet, die Kündigung ist vermeidbar, wenn der Arbeitnehmer auf einen freien Arbeitsplatz versetzt werden kann.

Die Sozialauswahl bei der betriebsbedingten Kündigung bestimmt sich nach § 1 Absätze 3 bis 5 KSchG und ist auf den Betrieb bezogen. Dabei werden vergleichbare Gruppen von Arbeitnehmern gebildet. Dieser Sozialauswahl kann der Arbeitgeber berechtigte betriebliche Interessen entgegensetzten und die sog. Leistungsträger aus der Sozialauswahl herausnehmen.

Die Kriterien der Sozialauswahl im Einzelnen sind:

  1. Lebensalter
  2. Dauer der Betriebszugehörigkeit
  3. Unterhaltspflichten
  4. Schwerbehinderung des Arbeitnehmers
Der Gesetzgeber gibt dem Arbeitgeber einen Wertungsspielraum zur Gewichtung der Einzelkriterien. Die Bewertung dieser Sozialdaten ist durch das Arbeitsgericht nur eingeschränkt überprüfbar auf grobe Fehlerhaftigkeit - also auf schwere Fehler bei Bildung der auswahlrelevanten Gruppe, bei Gewichtung der Kriterien oder bei Auswahl der Leistungsträger. Häufig wird die Sozialauswahl in der Praxis nach Punktesystemen vorgenommen.

Mit der Einführung des § 1 Absatz 5 KSchG wurde die Namensliste, auch ‘Schwarze Liste’, wieder eingeführt. Bei der Namensliste sieht es mit der eben erwähnten Darlegungslast anders aus. Wenn Betriebsrat und der Arbeitgeber einen Interessenausgleich mit einer Namensliste vereinbaren, ändert sich nach dem Gesetz die beweisrechtliche Lage zugunsten des Arbeitgebers - es tritt eine Beweislastumkehr zum Nachteil des Arbeitnehmers ein. Es greift dann die gesetzliche Vermutung, dass die Kündigungen durch betriebliche Erfordernisse bedingt sind (vgl. BAG v. 19.6.2007 - 2 AZR 304/06). Dem Arbeitnehmer ist dann die Beweislast für das Widerlegen der Betriebsbedingtheit auferlegt (dagegen muss oben der Arbeitgeber beweisen, dass die Kündigungen betriebsbedingt sind).

Das Erstellen von Namenslisten erscheint mit den eigentlichen Betriebsratsaufgaben - Vertretung der Interessen aller Arbeitnehmer des Betriebes - unvereinbar. Gerade diese Nachteile der kündigungsrechtlichen Machtposition des Betriebsrats hatten den Gesetzgeber 1951 zur Gestaltung des KSchG veranlasst. Bei einer solchen Schlüsselstellung des Betriebsrats im Kündigungsfall wächst die Gefahr von Koppelungsgeschäften oder anderen willkürlichen Entscheidungen des Betriebsrats. Dabei ist zu bedenken, dass der von der Kündigung betroffene Arbeitnehmer nahezu wehr- und chancenlos dem möglichen Fehlverhalten des Betriebsrats ausgesetzt ist. Ansprüche auf Schadenersatz gegenüber dem Betriebsrat sind nicht durchsetzbar, eine Sanktion durch Abwahl des Betriebsrats findet schon deshalb nicht statt, weil der gekündigte Arbeitnehmer an der nächsten Wahl nicht mehr teilnimmt.



Nach oben